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Presse

Wir veröffentlichen Pressestimmen zu den Veranstaltungen der Reihe Musik am 13. mit freundlicher Genehmigung der genannten Medien.

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Kosmos der Tonarten


| Dietholf Zerweck

Jörg-Hannes Hahn spielt Bach in der Cannstatter Stadtkirche

Stuttgart - „Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem ZeitVertreib auffgesetzet und verfertiget“: So hat Johann Sebastian Bach den ersten Teil der 48 Präludien und Fugen überschrieben, den er 1722 unter dem Titel „Das Wohltemperirte Clavier“ veröffentlichte. Von C-Dur bis h-Moll reicht der Zyklus der 24 Tonarten, mit denen Bach nicht nur pädagogisch wirken, sondern vor allem die künstlerischen Möglichkeiten des Tasteninstruments zur Entfaltung bringen wollte. Die große Vielfalt der Formen hat Komponisten wie Chopin, Busoni oder Hindemith zu eigenen Zyklen ähnlichen Werkumfangs inspiriert. Von der spirituellen Ausstrahlung dieser Musik fühlte sich selbst Goethe intuitiv angesprochen. In einem Brief an Carl Friedrich Zelter schrieb er, ihm sei zumute, „als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich’s etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben (...)“.

Für heutige Zuhörer werden sich solche Assoziationen kaum einstellen, doch beeindruckt gerade bei einer zyklischen Aufführung die innere Ordnung und fortschreitende Komplexität des Ganzen. Jedes Präludium hat seinen eigenen Charakter, manche schaffen eine klangvolle Introduktion durch kadenzartige Harmoniefolgen, andere gleichen zwei- und dreistimmigen Inventionen oder sind virtuos in der Art einer Toccata. Der Erfindungsreichtum der zwei- bis fünfstimmigen Fugen ist unglaublich und verlangt vom Interpreten große Transparenz bei der Artikulation der polyphonen Strukturen.

Während bei der Wiedergabe auf einem modernen Konzertflügel durch die Dynamik des Anschlags der Themenverlauf in den einzelnen Stimmen deutlich gemacht werden kann, wirkt beim Spiel auf dem Cembalo mehr der Gesamteindruck des polyphonen Geflechts, wobei sich durch unterschiedliche Registrierungen die Klangfarbigkeit verändern lässt. Für die Aufführung des „Wohltemperierten Klaviers“ im Rahmen der Cannstatter Konzertreihe Musik am 13. war die gotische Stadtkirche der architektonisch und akustisch geeignete Ort.Auf der Rekonstruktion eines im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe erhaltenen Cembalos des französischen Instrumentenbauers Pascal-Joseph Taskin aus dem Jahr 1778 spielte der Stuttgarter Kirchenkreiskantor Jörg-Hannes Hahn den ersten Zyklus: klar im Aufbau, kontrastreich im Charakter der einzelnen Präludien, souverän in der Gestaltung des geistigen Kosmos der Fugen - zugleich eine virtuose Energieleistung. Welch ungeheure Entwicklung sich von der schlichten Linearität des ersten C-Dur-Präludiums in immer komplexeren Formen ergibt, wurde von Jörg-Hannes Hahn eindrucksvoll dargestellt.