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Presse

Wir veröffentlichen Pressestimmen zu den Veranstaltungen der Reihe Musik am 13. mit freundlicher Genehmigung der genannten Medien.

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Dr. Ute Harbusch
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Zweifel zulassen


| Verena Großkreutz

Bachs Johannespassion bei der Cannstatter „Musik am 13.“

Stuttgart – Die Cannstatter Lutherkirche platzte aus allen Nähten, als Kirchenkreiskantor Jörg-Hannes Hahn den Einsatz zu Bachs Johannespassion gab. Der Bachchor begann etwas unsicher und zögerlich, steigerte sich dann aber. Vor allem in den Chorälen fand man zu einem kräftigen, reinen Klang zusammen, risikofreudig und lustvoll stürzte man sich in die grellen Volkes-Stimme- Chöre. Weniger überzeugend agierte das klein besetzte Instrumentalensemble um Konzertmeister Ben Hudson: Auch vernebelt durch den Kirchenhall wirkte die Phrasierung und Artikulation oft diffus und wenig ausgearbeitet. Unter den vielen Instrumentalsoli bleibt vor allem das wunderbare Gambenspiel von Heike Hümmer in der Arie „Es ist vollbracht“ in Erinnerung.

Tenor Dávid Szigetvári machte seine Sache als Evangelist ganz vorzüglich. Mit entspannter Höhe und kraftvoller, sehr deutlich artikulierender Stimme, die sich immer wieder äußerst echauffiert zeigte über die Verblendung der Menschheit, verwandelte er den Passionsbericht in einen Krimi. So gestaltete er etwa das tonmalerisch auskomponierte „und weinete bitterlich“, das die Schuldgefühle des Petrus zum Ausdruck bringt, derart eindringlich, dass man beinahe selbst in Tränen ausgebrochen wäre. Erik Ginzburg als Jesus dagegen blieb blass. Während Ivy Jänicke ihre Alt-Partie bodenständig interpretierte, pfiff Bass Joel Frederiksen auf Bachs Tonhöhenfestlegung und überraschte dazu noch durch eine recht eigentümliche Prononcierung der Pilatus-Worte: „Söhet, welsch ein Mönsch!“

Wie immer in seiner Reihe „Musik am 13.“ hatte sich Jörg-Hannes Hahn auch für dieses Sonderkonzert dramaturgisch Kluges einfallen lassen. Kurz vor Jesu Tod, den Worten „und neiget das Haupt und verschied“, hielt Hahn die Zeit an, und es erklang die „Monodia“ nach Psalm 22 für Solostimme ohne Begleitung von Alexander Knaifel, einem zeitgenössischen russischen Komponisten. Sehr anrührend und mit glasklarer Höhe trug die blinde Sopranistin Gerlinde Sämann diesen gut viertelstündigen Gesang vor, der mal murmelnd, mal mikrointervallisch oder rezitativisch, mal in manischen Wortwiederholungen oder Angstschreien den Seelenzustand eines Menschen in größter Not in Töne zu fassen sucht; und der Zweifel, ja Verzweiflung ausdrückt angesichts eines schweigenden Gottes. Etwas, das weder Johannes noch Bach schon offen zulassen konnten.