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Das bessere Gebet, obwohl es ein Tanz ist


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Marieke Spaans über Bach, die Clavier-Übung und Cembalistinnen

Marieke Spaans, Foto: Harald Hoffmann

Petra Heinze: Frau Spaans, Sie gestalten einen der vier Abende mit Johann Sebastian Bachs kompletter Clavier-Übung in der Stadtkirche Bad Cannstatt. Was mögen Sie an Bach besonders?

Marieke Spaans: Seine Klarheit in Struktur und Form, den großen Reichtum an Klang und Harmonie, seine immer währende Gesanglichkeit, seinen Humor und sein unerschütterliches Vertrauen in Gott. Letzteres hört man in seiner Musik, meine ich. Auch in seinen traurigsten Werken schimmert immer Hoffnung und Zuversicht durch.

Petra Heinze: Laut dem Initiator des Zyklus’, Jörg-Hannes Hahn, sind die vier Teile der Clavier-Übung komplett verschieden. Wie klingen die Werke, die Sie spielen?

Marieke Spaans: Das Italienische Konzert, welches ich darbieten darf, ist ein riesig großes Feststück. Und die Partiten sind für mich wie kleine Kaleidoskope von Formen, Tänzen und Gefühlen. Ich erinnere mich, die Allemande aus der vierten Partita bei einer Hochzeit von Freunden gespielt zu haben, vor vielen Jahren. Der Pfarrer meinte zu mir, dass das Werk das bessere Gebet gewesen sei. Und das, obwohl es ein Tanz ist. So innig kann Bachs Musik also wirken. Ich bin froh, in diesen Zeiten der Ungewissheit und Neuorientierung die Musik von Bach, diesem Fels in der Brandung, spielen zu können, und daraus Kraft zu schöpfen für Neues.

Petra Heinze: Sie leiten seit 2016 das Institut für Alte Musik an der Musikhochschule Trossingen. Sind Frauen, die sich an historischen Tasteninstrumenten ausbilden lassen, gegenüber den Männern Exotinnen?

Marieke Spaans: Nein, Frauen waren immer ein fester Bestandteil dieser Szene. Wanda Landowska, die Grande Dame des Cembalos, war die erste Cembalistin der sogenannten Alten-Musik-Szene ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Sie hat unter anderem die große, französische neue Cembaloschule begründet und weltweit für dieses Instrument geworben. In Deutschland gibt es aktuell sogar mehrere Professorinnen am Cembalo: Mitzi Meyerson in Berlin, Christine Schornsheim in München, Eva-Maria Pollerus in Frankfurt. Und allgemein gesehen: Wenn ich manches Orchester anschaue, denke ich, wir müssen mehr Männer werben.