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Farben hören


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Ein Porträtkonzert für Jean-Pierre Leguay eröffnet die Saison der „Musik am 13.“

Sabine Sauer, Foto: Christopher Weser

Wohl dem, der bei der Sanierung seiner Orgel alte Pfeifen nicht einem vermeintlich modernen, stromlinienförmigen Klangideal opfert. Die neobarocke Orgel der Cannstatter Stadtkirche, in den 1960ern von Walcker gebaut und 1998 von Kopetzki saniert, besitzt noch so seltene Register wie Basszink, Terz oder Krummhorn, die dem Klangspektrum eine unerhörte Farbigkeit verleihen. Und Jean-Pierre Leguay, die Orgellegende aus Frankreich, hat diese Register gezielt gezogen, als er dem Cannstatter Publikum eine Probe seiner Improvisationskunst gab. Selbst wer Unerwartetes erwartet hatte, wurde noch überrascht – von der Kühnheit der Improvisation und dem Farbreichtum des Instruments.

In einem Porträtkonzert wurde vergangenen Mittwoch der 78-jährige Musiker und Komponist vorgestellt, der über dreißig Jahre lang Titularorganist an Notre-Dame in Paris gewesen war. Das Komponieren hat er unter anderem bei Olivier Messiaen gelernt, der ihn „weniger beeinflusst als genährt“ habe, wie Leguay im einführenden Gespräch mit Jürgen Essl erläuterte. Einen ganzen Regenbogen an Klangfarben boten die drei ausgewählten Kompositionen Leguays, der, auch das war zu erfahren, seine Werke in Brailleschrift notiert und dann transkribieren lässt, denn er kam blind zur Welt.

Mit ihrem präzisen Vortrag von drei Stücken aus „Allume l’aube dans la source“ eröffnete die Pianistin Sabine Sauer den Klangreigen. Wie Harfe, Glockenspiel, Schlagzeug oder auch plätscherndes Wasser klang das Instrument unter ihren Händen und weitete die Gehörgänge der zahlreich anwesenden Zuhörer.

Ganz apart dann „Chant“, eine Vertonung von Passagen aus dem Hohen Lied, besetzt für Frauenchor und Schlagzeug. Der Kammerchor der Mädchenkantorei an St. Eberhard unter Leitung von Domkapellmeister Christian Weiherer meisterte überzeugend den rhythmisch tückischen Chorsatz, ergänzt durch mutige, klangschöne Soli von Marlene Frisch und Sarah Schöpf und untermalt von Franz Bach an Schlagwerk, Marimba und Tamtams.

Den Abschluss bildete die deutsche Erstaufführung von „Jubilus“. Das Ensemble L’Instant Donné hatte das Werk im Auftrag von Radio France erst dieses Jahr aus der Taufe gehoben. Das Kammermusik-Ensemble unter Leitung von Jörg-Hannes Hahn hätte die dynamischen Kontraste vielleicht noch stärker herausarbeiten können – aber wahrscheinlich waren die Ohren der Zuhörenden inzwischen einfach schon zu groß. Publikum, Musiker und Komponist applaudierten sich gegenseitig am Ende einer aufregenden Klangreise.