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Nicht zum Einschlafen


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Robert Hill spielt zum Abschluss der „Clavier-Übung" bei Musik am 13. die „Goldberg-Variationen“

Robert Hill, Foto: V. Behringer

Wie stark eine gute oder gut erfundene Geschichte doch zur Rezeption eines Werks beiträgt. 1741 erschien der vierte und letzte Teil von Johann Sebastian Bachs „Clavier-Übung“, eine Reihe von Variationen. 1802 lieferte der Bach-Biograph Johann Nikolaus Forkel eine Erklärung für deren Entstehung nach: Bach habe sie auf Veranlassung des Grafen Keyserlingk geschrieben, der an Schlafstörungen litt und sich von seinem Hauscembalisten Goldberg allabendlich etwas vorspielen ließ. „Goldberg-Variationen“ als Schlafmusik prägen sich eben leichter ein als eine „Aria mit verschiedenen Veraenderungen vors Clavicimbal mit 2 Manualen“, wie Bach selbst sie etwas nüchterner nennt.

Wahr ist, dass Bach mit dem Grafen befreundet war, bezweifelt wird, dass er das Werk für den jungen Cembalisten komponiert hat, der damals noch ein Knabe war. Denn die „Goldberg-Variationen“ gehören mit zum schwersten, was die Klavierliteratur zu bieten hat. Wie in anderen Gattungen liefert Bach auch hier ein kunstvoll ausgearbeitetes Vorbild, das in seiner überbordenden motivischen Vielfalt und stellenweise auch an Virtuosität kaum zu übertreffen ist.

Dieses hoch anspruchsvolle Schlussprogramm spielte am Sonntag Robert Hill, Professor an der Freiburger Musikhochschule und erfahrener Kenner und Interpret historischer Tasteninstrumente. So vertraut ist Hill mit dem Stoff, dass er den eigentlichen Variationen eine eigene Improvisation über den Bass des Grundthemas voranstellte.

Bach variiert in den 30 Variationen – die ihnen zugrunde liegende Aria erklingt zu Beginn und am Ende – nicht die Melodiestimme, sondern die harmonisierte Basslinie. Und er zeigt auf, ähnlich wie in den Partiten der "Clavier-Übung I", was die Musik seiner Zeit zu bieten hat: Jede dritte Variation ist ein Kanon, Bach lässt eine Polonaise oder Sarabande anklingen, leitet den zweiten Teil mit einer stark punktierten Ouvertüre im französischen Stil ein und schließt mit einem Quodlibet, einem Potpourri von Volksliedern. Manche der Variationen verlangen Spielfiguren in rasendem Tempo oder ständiges Überschlagen der Hände auf den beiden Manualen – es ließe sich daraus ein Schaustück machen.

Doch Robert Hill, entspannt und hoch konzentriert zugleich, sezierte erst einmal in aller Versonnenheit die Aria durch leicht versetzte Einsätze der Stimmen. Diesen überaus kultivierten und durchgängig transparenten Ansatz behielt er bei, schlüsselte die einzelnen und sehr individuell gestalteten Variationen überhaupt insgesamt eher auf, als sie charakterlich zuzuspitzen und spielte stattdessen mit den näselnden und lautenartigen Zusatzregistern seines Instruments. Langer, herzlicher Beifall für einen beeindruckenden Schlussabend.