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Presse

Wir veröffentlichen Pressestimmen zu den Veranstaltungen der Reihe Musik am 13. mit freundlicher Genehmigung der genannten Medien.

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Dr. Ute Harbusch
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Die Spirituelle


| Verena Großkreutz

Die russische Komponistin Sofia Gubaidulina zu Gast bei der Cannstatter Konzertreihe „Musik am 13.“

Sie spricht sehr leise, sucht in gebrochenem Deutsch nach Worten: Die russische Komponistin Sofia Gubaidulina fühlte sich im Porträtkonzert der Reihe „Musik am 13.“ in der voll besetzten Cannstatter Stadtkirche offenbar nicht wohl vor dem Mikrofon. Eigentlich wolle sie ihre Musik gar nicht erklären, sagte die 81-Jährige dann auch etwas gequält, die Menschen sollten sie einfach hören. Ansonsten blieben die meisten ihrer Worte nur schwer verständlich. Die Technik versagte, auf eine Sprechprobe hatte man fatalerweise aus Zeitgründen verzichtet. Zudem wirkten die Interviewer Jörg-Hannes Hahn und Ewald Liska zu wenig vorbereitet. Die Fragen schienen nicht abgesprochen, die Gesprächsführung war unstrukturiert. So wurde erst einmal minutenlang von „dem Instrument“ gesprochen, ehe Liska auf die Idee kam, zu fragen, was es mit dem geheimnisvollen Bajan, dessen Namen man zuvor nicht aussprach, denn nun auf sich habe. Dass es sich dabei einfach um die osteuropäische Bezeichnung für ein chromatisches Knopfakkordeon handelt, erklärte zumindest, warum Stefan Hussong die beiden Werke für dieses Instrument problemlos auf einem - aus Sicht der hiesigen Tradition - „normalen“ Akkordeon mit Klaviatur interpretieren konnte.

Dass die christlich geprägte Komponistin, die in Tschistopol in der Tatarischen Autonomen Sowjetrepublik geboren wurde und seit 1992 in Deutschland lebt, in ihrer künstlerischen Arbeit einen religiösen Akt sieht, dass sie der Auffassung ist, Kunst könne ohne Spiritualität nicht existieren, dass es ihr Anliegen ist, Intellektualität und Emotionalität miteinander zu verbinden, das konnte sich das Publikum dann hörend erarbeiten: im still klagenden Alt-Solostück aus den „Visionen der Hildegard von Bingen“ von 1994, gesungen von Stephanie Haas, oder in „De profundis“ von 1978, einem Werk für Solo-Bajan, das mit fließenden Cluster-Klang-Ketten und choralartigen Passagen arbeitet, die nervös von atonalem Zierwerk umspült werden - mitreißend interpretiert von Stefan Hussong.

Das Hauptwerk des Abends, „Sonnengesang“ von 1997 auf Franz von Assisis berühmten Hymnus, enttäuschte dagegen. Seinen Reiz gewinnt das eigentlich verstörende Werk in der Gegenüberstellung von Chor - der zwischen rituell-meditativer Gleichförmigkeit und theatral-malender Textausdeutung wechselt - und Solocello, das gleichsam als emotional bewegtes Ich des Sonnenbesingers die Grenzen des Instruments auslotet. Chor und Cello wollten aber gestalterisch nicht zusammenfinden. Der Chor blieb blass und vor allem in Sachen Chromatik intonatorisch unsicher, Dirigent Jörg-Hannes Hahn hatte den Spannungsbogen nicht im Griff, Cellist Friedrich Gauwerky konnte nicht deutlich genug machen, dass die verstimmten Saiten kompositorische Absicht waren. So blieben auch die vielen farbigen Akzente, die die Perkussionisten Frederic Marquardt und Daniel Eisenhardt etwa in Form singender Weingläser setzten, bloßer Effekt.